BAND 1

LESEPROBE

Seite 31

Im Schlafsaal

Emma und Leonie schauen sich um. Ihnen ist noch etwas schwindelig. Was ist geschehen? Wo sind sie gelandet? Erschrocken merken sie, dass sie auf der Kante eines scheinbar gigantischen Bettes sitzen, weit unter ihnen ein einfacher Holzboden. Leonie ist wie gelähmt. ›Also, hier möchte ich nicht runterfallen!‹ Emma tastet sich ab. ›Alles dran‹, denkt sie erleichtert, dreht sich langsam um und erstarrt: sie sind nicht alleine. Hinter ihnen schläft ein Junge, eingewickelt in eine abgewetzte, schmutzige Wolldecke. 

Emma fasst nach Leonies Hand. »Schau mal hinter dich!«, haucht sie. Leonie traut ihren Augen kaum. »Der ist ja riesig!« »Oder wir winzig … Wir sind gerade mal so groß wie seine Nase!«, bemerkt Emma. Beide legen ihre Köpfe leicht in den Nacken, um den Jungen genauer anzusehen. Sie wagen kaum zu atmen. 

Der Kopf des Jungen liegt auf einem Strohsack. Sein bleiches Gesicht ist ihnen zugewandt, und er atmet ruhig. Die hellen Haare wirken struppig. Seine schmutzigen Fingernägel schauen unter der Decke hervor. Am unteren Ende der Wolldecke entdecken die Mädchen einen weiteren Haarschopf. Plötzlich bebt das Bett. Emma und Leonie halten sich aneinander fest. 

Wo kommt das her? Der Junge hinter ihnen bewegt sich nicht. »Au, mein Arm!«, hören sie eine schläfrige Kinderstimme sagen. »Lass mich in Ruhe!« »Da schlafen noch mehr Kinder im Bett«, flüstert Emma. »Warum ist hier alles so groß? Leo, ich finde das unheimlich.« »Ich auch. Wenn der Junge hier aufwacht, kann er uns leicht vom Bett stoßen – mit oder ohne Absicht.«

Seite 60

Im Unterricht

Johann und Georg treten ins Klassenzimmer. Sie bleiben ruckartig stehen. »Wir bitten um Entschuldigung, Herr Praeceptor Gneist«, hören die Mädchen Georg sagen. »Wie könnt ihr es wagen, zu spät zu kommen!« »Wir wollen Ihnen, Herr Praeceptor, demütigst eine Erklärung geben.« Georgs Stimme zittert. »Wir bitten Sie, Herr Praeceptor, unsere Erklärung anzuhören.« 

»Anhören? Ihr kommt zu spät und ich soll euch anhören?« Der Lehrer klingt empört, fast wütend. »Vor die Klasse treten! Sofort!« Johann und Georg setzen sich in Bewegung. »Stehen bleiben! Beide Hände ausstrecken! Handflächen nach oben! Fünf Schläge mit der Rute auf jede Hand bekommt ihr! Für jede weggezogene Hand einen Schlag mehr! Verstanden?« Emma und Leonie sind schockiert. Sie hören, wie die Rute zuerst auf Georgs Handflächen knallt. Tränen schießen ihnen in die Augen. ›Wie ungerecht!‹, denkt Emma. ›Wegen ein paar Minuten solche Schläge!‹ Leonie ballt ihre Fäuste.

Beide Mädchen zählen jeden Schlag mit. Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Georg gibt keinen Ton von sich. Als Johanns rechte Hand an der Reihe ist, kriechen Emma und Leonie zur Ärmelkante, um sich fest zu halten. Dann peitscht die Rute auf Johanns linke Handfläche. Die Mädchen zittern. Doch Johann hält seine Hand ganz still und gibt keinen Zentimeter nach. ›18, 19, 20‹, zählt Leonie mit. »Hinsetzen!«, brüllt der Lehrer. »Auf eure Plätze!«

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